Neustart – 15 Wochen psychiatrische Klinik

Wow! Meine Einweisung in die psychiatrische Tagesklinik ist 15 Wochen her.
– Station A für instabile Persönlichkeiten.

Ich war nach meiner Trennung im letzten Jahr gelinde gesagt am Ende. Ich war suizidal und hätte ohne meinen Job und mein Crossfit wahrscheinlich die Wartezeit für die Aufnahme in die Tagesklinik nicht überlebt. Es war hart an der Grenze. Sinnlosigkeit war mein persönlicher Begleiter. Jederzeit und immer da.

Seit dem 11. Dezember ging ich dann täglich und ohne auch nur einen Ausfalltag in die psychiatrische Tagesklinik. 8 Wochen hatte ich warten müssen bis zur Aufnahme. Das ist eigentlich für deutsche Verhältnisse recht kurz – und dennoch unfassbar lang, wenn jeder Morgen, jedes Aufstehen und der gesamte Alltag eine Belastung sind und man jeden Tag (oftmals im Minutentakt) hinterfragt, wieso und ob man das Ganze überhaupt noch mitmachen will, ob es nicht einfacher wäre aufzugeben und auszusteigen.  Aber ich habe es durchgezogen. Dank lieber Freunde, Dank einer Struktur durch Job und Training, die nicht viele in meiner Lage haben oder aufrecht erhalten können. Ich habe es geschafft. Es geht mir besser. Es ist noch ein weiter Weg mit ambulanter Therapie und vielen alltäglichen Kämpfen. Aber ich bin noch hier und ich bin auf dem Weg.

15 Wochen in der Klinik, die unbeschreiblich anstrengend waren.

Ich hatte es seit über einem Jahr vermieden, alleine zu sein, war ständig unterwegs, tat alles um mich nicht mit mir und meinen Gefühlen zu beschäftigen. Nach einer so langen Zeit ohne wirklichen Kontakt zu meinen Emotionen war es mehr als schmerzhaft, diese wieder zu finden und zu durchleben. Aber es ging. Ich arbeitete so hart es mir möglich war. Ich lernte Menschen kennen, die ähnliche Probleme hatten, wir stützten uns jeden Tag gegenseitig. An vielen Tagen nach der Klinik war ich erschöpfter als nach einem normalen Arbeitstag.
Ich wurde mit deutlich erkennbaren Fortschritten entlassen und bin froh und dankbar, dass ich diese Möglichkeit hatte. Mein Kampf ist noch nicht zu Ende und ich werde noch lange Therapie(n) machen. Ich kenne meinen Sinn immernoch nicht, aber ich glaube, dass mein Leben tatsächlich einen hat und ich noch auf dieser Erde bleiben will.

Und nun sitze ich an meinem Schreibtisch.

Einen Tag vor dem Neustart in meinen alten Job, mit den alten Kollegen. Ich habe Angst. Ich habe Angst, dass ich fachlich hinterherhinke, nicht mehr zum Team dazugehöre und vor allem habe ich Angst, dass meine Klinikzeit, die mir die Welt bedeutet, vergessen wird. Ich habe Angst, dass ich wieder Teil einer Welt werde, in der psychische Krankheiten kein Thema sind und in der man einfach funktionieren muss und bloß kleine “Befindlichkeiten” aufkommen. Ich möchte das nicht. Mit dem Neustart morgen beginnt vielleicht auch das Vergessen. Ich will nicht vergessen. Mir ist wichtig, dass die Menschen, die das Leid mit mir teilten, Bedeutung behalten, dass wir nach und nach nicht mehr als Minderheit angesehen werden (denn leider gibt es viele von uns), dass es ok wird, über psychische Krankheiten zu reden und dass wir Gehör finden.

Solltet ihr Ideen haben, wie ich weiterhin unseren Kampf weiterführen und für mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft sorgen kann, lasst es mich gerne wissen. Wenn ihr selbst Probleme habt: bitte seid nicht zu ängstlich, Hilfe zu suchen. Ihr seid nicht alleine. Und es geht weiter!

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